,,Verlorene Liebesmüh´“ - Shakespeare im Nordhorner KTS

  • Shakespeare im Nordhorner KTS

DS-Kurs besucht mit Unterstützung des Förderkreises Inszenierung der Berliner Shakespeare Company

,,Wo Liebe treu ist, kann kein Eidbruch sein. Find einen Weg, die Sünde wegzudenken.“ (König von Navarra in V, 3)

Die Liebe ist stärker als der Wille zum Ruhm. Sie ist machtvoller als ein Schwur zur Enthaltsamkeit, um Ansehen in der Gesellschaft zu bekommen. Das muss auch der König in dem Stück ,,Verlorene Liebesmüh'“ von William Shakespeare einsehen. Shakespeare fragt in seiner eher unbekannten Komödie von 1594/95, wie sinnvoll das Streben nach Ruhm und das Verleugnen seiner Selbst eigentlich sind? Mit dieser Fragestellung durfte sich auch das Publikum im Nordhorner Konzert- und Theatersaal bei einer Inszenierung des Stückes der Berliner Shakespeare Company beschäftigen.

Der König von Navarra schwört mit seinen beiden Hofherren Byron und Dumain, drei Jahre lang auf Frauen zu verzichten und sich dem Studium und dem Fasten zu widmen. Dafür gründen sie eine ,,Akademie im Kleinem“ nach dem Vorbild Platons. Doch dieses Unterfangen ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt, als die französische Prinzessin mit ihren Hofdamen eintrifft. Es kommt, wie es kommen muss: Der König verliebt sich in die Prinzessin, die Hofherren in die Hofdamen. Zu Beginn wirbt jeder heimlich um seine Geliebte, bis die drei Männer sich gegenseitig beim Schwurbruch entdecken und sich dazu entschließen, um die Hand ihrer Auserwählten anzuhalten. Dafür macht jeder Mann seiner Geliebten ein Geschenk, an dem die Frauen zu erkennen sind. Bei einem Fest verkleiden sich die drei Männer als Russen. Doch die Frauen, ebenfalls maskiert, haben ihr Spiel längst durchschaut und vertauschen ihre Präsente, sodass sich König und Hofherren lächerlich machen. Die Überheblichkeit der Frauen und die weiter hochgestochene Sprache der Herren enden erst mit der Nachricht vom Tod des Königs von Frankreich. Die Französinnen nehmen ihren Geliebten das Versprechen ab, sich ein Jahr zurückzuziehen und dann die Damen ernsthaft um das Ehegelübde zu bitten. Nur Lord Byron mit seinen des Öfteren herablassenden Witzen muss versuchen, einen tauben Menschen innerhalb der Trauerzeit zum Lachen zu bringen.

Die Aussage der Komödie brachte der Regisseur Jens Schmidl gut zur Geltung, indem er bis zum Tod des Vaters der Prinzessin im Hintergrund einen weißen Vorhang mit der Aufschrift ,,FAME?“ aufhängen ließ. Als das wichtigtuerische Gerede endlich beendet wird, lässt er den Vorhang fallen und der Zuschauer liest über der Bühne den englischen Stücknamen: ,,Love´s Labour´s Lost“. Der Versuch der Protagonisten, sich Ruhm zu erwerben, und die Mühe, die sie hierfür aufwandten, waren vergebens. Auch die Prinzessin und ihre Hofdamen versuchten intelligent zu scheinen, indem sie die Navarrer sich zu Affen machen ließen. Aber sind auch die Bemühungen um Liebe verloren? Das ahnt wohl nur Shakespeare, nur er mag wissen, was sich in dem Trauerjahr abspielen wird.

Shakespeare wählte in diesem Stück scheinbar erstrebenswerte Fähigkeiten: das Vermögen, die eigenen Gefühle unterdrücken zu können, sowie Vernunft und Intelligenz. Aber ist es nicht viel intelligenter, sich die Gefühle einzugestehen als  sich der Realität entgegenzustellen? Der heute häufig benutzte Begriff des ,,Fame“ sorgt für den Bezug zur Gegenwart. Beruhen nicht auch heute viele Vorsätze auf dem Wunsch nach Anerkennung? Verstecken Instagram und Co hinter Schönheitsideal, Coolness und Intelligenz unsere Gefühle? Sind das verfälschte Darstellungen unser selbst? Am Ende kann nur das in der Wirklichkeit bestehen, was sich auch mit der Realität beschäftigt.

In der gut besuchten Inszenierung spielten sechs Darsteller 14 Rollen. Teilweise wurden Geschlechter vertauscht, was die jeweilige Rolle jedoch nur witziger machte. Die Schauspieler interagierten mit dem Publikum. Zu Anfang reagierten die Zuschauer noch verhalten, dennoch resignierten die Bühnenkünstler nicht, sodass sich das Publikum am Ende mitreißen ließ. Gleichzeitig nutzte das Ensemble nicht nur die Bühne, sondern auch den Zuschauerraum, wodurch das Spiel immer wieder überraschende Auftritte bot. Viel klatschte das Publikum nach den gekonnten Musik- und Gesangseinlagen. Besonders amüsant wurde die Rolle der Jaquenetta (Thilo Hermann) dargestellt. Viel gelacht wurde über Don Armado (Vera Kreyer), der, um möglichst poetisch und geistreich zu erscheinen, seltsam zusammengewürfelte  Sätze formulierte. Die modernisierten Kostüme von Carla Satoca Berges und Francesca Ercoli waren gut gewählt, sie verdeutlichten die Hierarchien zwischen den Figuren und ihre Charaktermerkmale.

Am Ende applaudierte das Publikum lang und kräftig für ein humorvolles Stück, welches den Bezug zur heutigen Zeit nicht verloren hat und beeindruckend von den Schauspielern dargestellt wurde. (Anna Nuss)